Eragon 3 – Eine erste Leseprobe

Wahrscheinlich doch eher als erwartet, wird Band 3 der »Eragon«-Saga erscheinen. Voraussichtlich sogar schon in diesem Herbst :-)

Hier ist schon mal ein kleiner Textauszug:

Licht und Schatten

Saphira scharrte ungeduldig mit den Krallen in der Erde. Kommt jetzt, wir fliegen los!

Eragon und Roran ließen Taschen und Vorräte am Ast eines Wacholderbaumes hängen und kletterten auf ihren Rücken. Sie brauchten sie gar nicht erst zu satteln – Saphira hatte das Gurtzeug die ganze Nacht über anbehalten. Das weiche Leder schmiegte sich warm, fast schon heiß an Eragons Schenkel. Er hielt sich an der Halszacke vor ihm fest, damit er bei plötzlichen Richtungsänderungen nicht zur Seite schleuderte, während Roran einen Arm um Eragons Taille schlang; in der anderen Hand hielt er seinen Hammer.

Ein Schieferbrocken zerbrach unter Saphiras Gewicht, als sie tief in die Hocke ging und dann mit einem einzigen Schwindel erregenden Satz zum Rand der engen Schlucht hinaufsprang, wo sie einen Moment lang balancierte, bevor sie ihre riesigen Schwingen ausbreitete. Die zarten Flügelhäute flatterten im Wind, als Saphira sie zum Himmel emporstreckte. So aufgerichtet, sahen sie aus wie zwei durchscheinende blaue Segel.

„Nicht so fest“, knurrte Eragon.

„Entschuldigung“, sagte Roran und lockerte die Umklammerung ein wenig.

Ein weiterer Wortwechsel wurde unmöglich, als Saphira sich erneut vom Boden abstieß. Am höchsten Punkt des Sprunges ließ sie kraftvoll die Schwingen herabschnellen und gewann weiter an Höhe. Mit jedem neuen Flügelschlag stiegen die drei näher zu der lang gezogenen Wolkendecke auf, die sich von Osten nach Westen erstreckte.

Als Saphira zum Helgrind abdrehte, konnte Eragon links von ihnen in einigen Meilen Entfernung einen Teil des Leona-Sees erkennen. Eine graue, im trüben Morgenlicht gespenstisch schimmernde Dunstschicht wallte vom Wasser auf, als würde dort unten ein Hexenfeuer brennen. Trotz aller Anstrengung konnten selbst seine Adleraugen weder das ferne Ufer noch die südlichen Ausläufer des Buckels ausmachen, was er bedauerte. Er hatte die Berge seiner Kindheit nicht mehr gesehen, seit er das Palancar-Tal verlassen hatte.

Im Norden lag Dras-Leona, ein weitläufiges, winkeliges Gebilde, das als klotziger Schattenriss vor der Nebelwand erschien, die im Westen an die Stadt stieß. Das einzige Gebäude, das Eragon ausmachen konnte, war die Kathedrale, in der die Ra’zac ihn angegriffen hatten. Der umkränzte Kirchturm überragte die Stadt wie eine Speerspitze mit Widerhaken.

Und Eragon wusste, irgendwo in dem Gebiet, das unter ihnen vorbeizog, waren auch die Überreste des Nachtlagers, wo die Ra’zac Brom tödlich verletzt hatten. Er ließ alle Wut und Trauer über die Geschehnisse jenes Tages – und über Garrows Ermordung und die Zerstörung ihres Hofes – in sich aufsteigen, um Mut zu schöpfen, nein, um seine Begierde auf den bevorstehenden Kampf gegen die Ra’zac anzufachen.

Eragon, sagte Saphira, heute müssen wir keinen Schutzwall um unseren Geist legen und unsere Gedanken nicht voreinander verbergen, oder?

Nein, nur wenn ein anderer Magier auftaucht.

Ein Fächer aus goldenem Licht erstrahlte, als die Sonne den Horizont durchbrach. Augenblicklich erweckte das volle Farbenspektrum die eben noch graue Welt zum Leben: Der Nebel schimmerte weiß, das Wasser tiefblau, der verputzte Erdwall, der das Zentrum von Dras-Leona umschloss, offenbarte seine ockerfarbene Oberfläche, die Bäume leuchteten in satten Grüntönen und die Erde selbst schimmerte orangerot. Der Helgrind aber blieb so, wie er immer war – pechschwarz.

Der kahle Felsberg wurde rasch größer, während sie auf ihn zuflogen. Selbst aus der Luft wirkte er noch Furcht erregend.

Saphira stieß so steil zum Fuße des Helgrind hinab, dass Eragon und Roran heruntergefallen wären, wenn sie sich nicht die Beine am Sattel festgeschnallt hätten. Sie rauschten über das geröllübersäte Vorfeld und den Altar hinweg, wo die Priester des Helgrind ihre Zeremonien abhielten. Der Luftzug verfing sich in Eragons Helmöffnung und verursachte ein Heulen, das ihn fast taub machte.

„Und?“, brüllte Roran, dessen Blick nach vorne versperrt war.

„Die Sklaven sind verschwunden!“

Ein gewaltiger Druck presste Eragon in den Sattel, als Saphira aus dem Sturzflug wieder emporschoss und auf der Suche nach dem Eingang des Ra’zac-Unterschlupfes in engen Kurven den Helgrind umkreiste.

Da ist keine Öffnung, in die auch nur eine Waldratte reinpasst, verkündete sie schließlich. Sie bremste ab und schwebte vor einem Felsgrat, der den drittniedrigsten Gipfel mit dem darüber liegenden Plateau verband. Die zerklüftete Wand verstärkte den Lärm, den ihre Flügelschläge verursachten, bis er so laut war wie krachender Donner. Eragon begannen die Augen zu tränen, während ihm der Wind ins Gesicht peitschte.

Ein weißes Adernetz schimmerte an den Innenseiten der Klippen und Säulen, wo sich Raureif in dem rissigen Fels gesammelt hatte. Nichts sonst störte die Finsternis der windumtosten schwarzen Gipfel des Helgrind. An den schroffen Felswänden wuchsen weder Bäume noch Gräser, kein Moos und keine Flechten; kein Adler wagte es, auf den abgebrochenen Granittürmen zu nisten. Getreu seinem Namen war der Helgrind ein Ort des Todes, in ein steinernes Gewand aus messerscharfen, gezackten Klippen gehüllt, ein knöchernes Gespenst, das aus der Erde gestiegen war, um die Welt heimzusuchen.

Eragon sandte seinen Geist aus und spürte die Gegenwart eines der Sklaven und die der beiden Gefangenen, die er am Vortag entdeckt hatte. Zu seiner Besorgnis gelang es ihm jedoch nicht, die Ra’zac und die Lethrblaka zu orten. Wenn sie nicht hier sind, wo sind sie dann?, fragte er sich. Er suchte erneut und bemerkte etwas, was ihm bis dahin entgangen war: Eine Blume – ein Enzian – blühte keinen Steinwurf entfernt, wo allem Anschein nach nur massiver Fels war. Wie bekommt sie bloß genug Licht zum Leben?

Saphira beantwortete die Frage, als sie sich ein Stück weiter rechts auf einem brüchigen Felsvorsprung niederließ. Dabei geriet sie einen Moment lang aus dem Gleichgewicht und breitete, um wieder Halt zu gewinnen, die Flügel aus. Doch statt gegen die Felswand zu stoßen, tauchte die rechte Flügelspitze kurz in den Fels ein.

Saphira, hast du das gesehen?

Allerdings…

Sie reckte den Hals vor und streckte die Schnauze dem Felsen entgegen, hielt jedoch einen Fingerbreit davor inne – als erwartete sie, dass gleich eine Falle zuschnappen würde –, dann setzte sie die Bewegung vorsichtig fort. Schuppe um Schuppe verschwand Saphiras Kopf jetzt im Helgrind, bis Eragon von ihr nur noch Rumpf und Flügel sah.

Es ist ein Trick!, rief Saphira.

Mit einem mächtigen Satz schnellte sie nach vorne und sprang in den Fels hinein. Eragon musste sich schwer zusammenreißen, um nicht in einem Schutzreflex die Hände vors Gesicht zu schlagen, als die Granitwand auf ihn zugerast kam.

Im nächsten Moment fand er sich in einem breiten Höhlengewölbe wieder, das vom morgendlichen Sonnenschein durchflutet war. Saphiras Schuppen brachen das Licht und warfen tausende von flimmernden Farbreflexen auf den Fels. Eragon drehte sich um. Hinter ihnen lag keine Wand, sondern ein Höhleneingang, und er konnte die davor liegende Landschaft sehen.

Er verzog missmutig das Gesicht. Er hatte nicht bedacht, dass Galbatorix den Ra’zac-Unterschlupf mit Magie versteckt halten könnte. Ich Trottel! Ich muss wirklich besser a
ufpassen
, dachte er. Den König zu unterschätzen, war ein sicherer Weg, um sie alle ins Grab zu bringen.

Roran fluchte. „Bevor du so was noch mal machst, warnst du mich gefälligst!“

Eragon beugte sich hinab und löste die Beinschnallen, behielt dabei aber ihre Umgebung im Auge, auf jede Gefahr gefasst.

Der Höhleneingang war ein ungleichmäßiges Oval, vielleicht fünfzehn Meter hoch und zwanzig Meter breit. Von dort aus weitete die Höhle sich etwa auf die doppelte Größe aus, bevor sie einen halben Bogenschuss entfernt an einem Haufen dicker Steinplatten endete, die gefährlich schräg aneinanderlehnten. Ein Geflecht aus pudergrauen Kratzspuren verunstaltete den Boden, ein Zeichen dafür, wie oft die Lethrblaka hier gestartet, gelandet und herumgelaufen waren. Geheimnisvollen Schlüssellöchern gleich, öffneten sich an den Höhlenwänden fünf niedrige Tunneleingänge sowie ein nach oben hin spitz überwölbter Durchgang, der hoch genug für Saphira war. Vorsichtig musterte Eragon die Gänge, doch sie schienen stockfinster und verlassen – eine Vermutung, die sich nach einigen schnellen Vorstößen seines Geistes bestätigte. Sonderbares, abgehacktes Gemurmel hallte aus dem Innern des Helgrind wider, ein Hinweis auf unbekannte Wesen, die in der Dunkelheit umherhuschten, dazu das Geräusch endlos tropfenden Wassers. Und zu diesem Flüsterchor hinzu kam das gleichmäßige Auf und Ab von Saphiras Atemzügen, das man in der leeren Höhle besonders laut vernahm.

Am auffälligsten jedoch waren die Gerüche, die in der Luft lagen. Es roch nach kaltem Stein, aber darunter witterte Eragon einen Hauch von Feuchtigkeit und Schimmel und noch etwas viel Schlimmeres: den widerlich süßen Gestank verfaulten Fleisches.

Eragon öffnete den letzten Lederriemen und schwang das rechte Bein über Saphiras Rücken, sodass er seitwärts im Sattel saß und herabspringen konnte. Roran tat dasselbe auf der anderen Seite. Bevor er aber noch losgelassen hatte, vernahm Eragon unter den vielen Geräuschen, die sein Ohr foppten, eine Folge simultaner Schnalzlaute; es klang, als schlüge jemand mit mehreren Hämmern gleichzeitig gegen den Fels. Im nächsten Moment wiederholte sich das Geräusch.

Er blickte in die Richtung, aus der es gekommen war – Saphira ebenfalls.

Eine riesige, bucklige Gestalt schoss aus dem Durchgang. Hervorquellende, randlose schwarze Augen. Ein zwei Meter langer Schnabel. Fledermausartige Flügel. Der Rumpf nackt und unbehaart, eine einzige Muskelmasse. Und Klauen wie Eisennägel.

Saphira sprang zur Seite, versuchte, dem Lethrblaka auszuweichen, doch es gelang ihr nicht. Das Flugross krachte ihr – so kam es Eragon vor – mit der Kraft und Wucht einer Lawine in die Seite.

Was als Nächstes geschah, bekam er nicht mehr mit, denn nach dem Aufprall flog er in hohem Bogen durch die Luft, und seinem Hirn entglitt auch der letzte nur halbwegs klare Gedanke. Der Blindflug endete genauso abrupt, wie er begonnen hatte, als ihm etwas Hartes, Flaches in den Rücken stieß, ihn zu Boden warf und er erneut mit dem Kopf aufschlug.

Dieser letzte Aufprall presste Eragon die verbliebene Atemluft aus den Lungen. Er lag gekrümmt auf der Seite, keuchte benommen und versuchte, die Kontrolle über seine ihm nicht mehr gehorchenden Gliedmaßen zurückzugewinnen.

Eragon!, schrie Saphira.

Leseprobe aus dem dritten Kapitel im dritten Buch der Drachenreiter-Trilogie
© Verlagsgruppe Random House

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